Goodbye Herzrasen

So nun habe ich meine Antworten. Und mit den Guten fange ich an. Die neue Herzrhythmusstörung hat nichts mit der Sarkoidose zu tun – Hurra kein Schub, kein Cortison.

Stattdessen habe ich eine AV-Knoten-Reentrytachykardie… das ist, zunächst meist unbemerkt, ein angeborener 2. Nervenstrang, quasi ein Zwilling des AV Knotens, der das Herz steuert. Sehr häufig bleibt das harmlos und ernsthafte Probleme treten nur auf, wenn das Herz eh geschädigt ist. Womit wir wieder bei meinen Flöhen (Herzrhythmusstörungen) und Läusen (Herzrasen) sind. Zumindest hat der Lieblingsarzt es heute nochmal so erklärt.

Gegen die neu entdeckten Läuse hat man gestern erfolgreich gearbeitet. Mein 2. AV-Knoten wurde verödet und sollte zu 95% nicht mehr stören. Das Herzchen sollte also das Rasen aufgegeben haben. Meine alten Rhytmus Störungen (die Flöhe) sind so gestreut, dass sie nicht verödet werden können und mir weiterhin nur Medikamente und meine Überwachung bleiben. Normalerweise könnte ich also jetzt nach Hause. Zumal das Herz-Echo sagt, dass meine Herzleistung auch nicht wirklich gelitten hat unter dem Stress der letzten Wochen und ich mich weiter auf der leicht bis mittelgradigen Herzschwäche ausruhen kann.

Aber was ist schon normal… leider hat man meinen eigentlichen AV Knoten auch angetippt und nun ist alles etwas durcheinander. Die alten Rhythmus Störungen ballern häufiger, die Spannung meiner EKG Kurve ist abgefallen und der Defi möchte da eigentlich gerne mehr sehen. Also bleibe ich erstmal zur Überwachung hier und hoffe, dass es mit den richtigen Medikamenten und etwas Ruhe schnell wieder gut ist und mir der nächste Schritt erspart bleibt. Kommt das alles nicht in Ordnung, dann könnte das jetzt der Zeitpunkt sein, wo der Defi gegen einen Schrittmacher getauscht werden müsste… sagt der Doc, grinst unter seiner Maske, und schiebt hinterher, dass er aber sehr optimistisch ist, mich bald ohne weitere OP in der Ambulanz zur Kontrolle wiederzusehen. Und da glaube ich jetzt einfach mal mit ihm!

Leben in Begleitung

Vor 9 Jahren habe ich ja gesagt… Ja zu einem Begleiter, der auf mich aufpasst, mich überwacht, mich einschränkt, ab und zu behindert, der aber auch mein Leben schützt… vor einem Jahr musste der Begleiter ausgetauscht werden und wie es so ist, dauerte es eine Weile bis sich alles eingespielt hat… der Neue ist ein bisschen größer, tickt ein wenig anders, hat verbesserte Fähigkeiten und lässt mir zumindest ein bisschen mehr Freiheit.

Klingt spannend, vielleicht mysteriös und nach wichtig mit Personenschutz. Aber tatsächlich ist es der Bruder des Herzschrittmachers, von dem hier die Rede ist. Da mein Herz gerne mal stehen bleibt oder flimmert wurde ich überzeugt mein Leben von einem ICD (Implantable Cardioverter Defibrillator) überwachen zu lassen. Anders als der Schrittmacher der permanent den Takt gibt, dümpelt dieser Defi in meiner Achselhöhle und wartet ab. Er ist auf bestimmte Signale programmiert die ihm sagen, wann er eine Aufzeichnung machen, wann er den Takt vorgeben oder sogar einen Schock abgeben muss.

In den ersten Monaten hatte er noch viel Takt-Arbeit zu tun, aber mit der Zeit waren meine Medikamente so eingestellt, dass mein Herz von alleine wieder in den Takt kam. Die Flimmer-Phasen wurden selten, der Stillstand in der Regel so kurz, dass das Gerät kaum wach wurde. Auch war mein Defi gut erzogen und hat nicht unnötig gearbeitet. Lange Zeit kannte ich ‚den Schock‘ nur aus Erzählungen anderer Betroffener, deren Gerät auch gerne mal mit einer Fehlzündung schockt. Seit ich einmal wirklich einen solchen Schock bekam bin ich dafür noch viel dankbarer.
Trotz dieser Lebensversicherung bin ich angehalten mein Herz zu schonen, da mit jeder Attacke ein Stück Herz stirbt und die Lebensqualität massiv leidet. Somit habe ich vielen Dingen, die mir eigentlich Freude machen adieu sagen müssen – Immer wieder muss mein Verstand meinen Bewegungswunsch zügeln.. keine Anstrengung, keine große Aufregung, kein voller Terminplan… manchmal geht es einfach, manchmal ist es schwer. Aber ich lerne es und streiche so Sachen wie Fallschirmspringen, Kunstflug und Gardetanz von meiner Buket List. Das geht natürlich nicht von heute auf morgen, aber die Lektionen nach einer Überlastung wiegen schwer und begünstigen den Lernprozess.

Mein Herz, der Defi und ich wir kannten uns wirklich gut und meistens wusste ich, was eine Kreislauf- oder eine Herzattacke war. Als vor einem Jahr die Batterie fast leer war hieß es Abschied nehmen: nicht ganz ohne Komplikationen wurde ein neues Gerät eingesetzt. Der Wohnort in der Achselhöhle war eher ungewöhnlich für die Chirurgen und die OP hat viel mehr Zeit und Blut gekostet, als geplant. Dafür war mir der Fremdkörper schnell wieder vertraut und es schien eine ruhige Sache zu werden mit uns beiden. Zu Beginn noch viel zu ruhig, da ich mich nur schlecht erholt habe, aber nach einer Medikamentenumstellung ging es mir ein paar Wochen sogar richtig gut. Mein Kreislauf war besser und zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte ich mich so fit, wie ich auf viele wirke. Langsam lernte ich auch wie der neue Defi tickt und das bei gleichen Signalen andere Therapien des Geräts erfolgen. Was mich am Anfang irritiert hat war schon bald ein Segen, denn leider ist das Leben unberechenbar und es liegt nicht immer in der eigenen Hand, wieviel Aufregung einem begegnet.

Gestern habe ich erfahren, dass mein Gefühl für meinen Körper mich nicht verlassen hat.. dank einer Panik Ende Mai musste der Defi Takt-Arbeit leisten, der Elektro Schock blieb dank neuer Programmierung allerdings aus. Nur mein Herz geriet aus der Bahn und es gab in Folge viel zu erzählen für ihn. Fast haben sich die Störepisoden verdreifacht. Mit Hilfe der Technik habe ich sogar einen Ausdruck, der mir zeigt, dass die Aufzeichnungen von ihm perfekt zu dem passen, was ich mir notiert habe. Natürlich macht es die Sache medizinisch nicht besser, aber es ist beruhigend zu wissen, dass ich auf mein Gespür richtig reagiere.
Auf dieses werde ich mich auch weiter verlassen müssen – Medikamente könnten nur in dem Rahmen eingesetzt werden, der mich wieder ins Kreislauf-Aus bringt. Also heißt es für mich weiter vorsichtig zu sein und das Herz möglichst umfassend vor weiteren Schädigungen in Form von Stress, Überanstrengung, Angst und Panik zu schützen. Und die Beziehung zum Defi zu pflegen, damit er schön brav da bleibt wo er hingehört…

Dummerweise hat der sich nämlich dazu entschieden dies nicht zu tun. Vermutlich ist die Verankerung nicht richtig befestigt und der Kollege ist aus der Achselhöhle ausgewandert. Er kommt nur mühsam voran und hängt jetzt deutlich versetzt rum… wenn er begreift, dass er eh nicht davon kommt, könnte unsere Beziehung 11 Jahre halten, ohne weiteren Eingriff. Zumindest sagt das die Hochrechnung der Batterieladung. Falls er weiter vorprescht muss er wohl neu verankert werden. Und da im Leben ja nun mal nichts einseitig ist, darf er nun meine Herz überwachen und ich seinen Aufenthaltsort 😉

Frohe Ostern

UKE 2019 Ostern

Wieso gerade ich?
Wer kennt diesen Satz nicht? Irgendwann kommt doch jeder mal in die Lage diesen Satz voller Verzweiflung zu durchleiden.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich an diesem scheinbar unseligen Osterwochenende 1994 genau diesen Satz zelebriert habe.
Mit einem dummen Kraftakt hat es angefangen, als die Heizung auf meinen Fuß gekippt ist und ich im Krankenhaus auf die OP vorbereitet wurde, statt mit meinem süßen, bald 3 jährigem Sonnenschein Ostern zu feiern.
Mit den Röntgenbildern kam die Antwort auf drei Jahre Reiz-Husten und Halsschmerzen. Und meine Zeit mit dem ‚chronisch Krank‘ Stempel nimmt seinen Lauf.

Chronische Sarkoidose ist kein Todesurteil, aber der Freifahrschein für Jahre der Unsicherheit, des Zweifel, des Unglaubens und des Belächelt werden.
Man sieht es nicht, oft lässt es sich kaum nachweisen und selbst viele Mediziner haben keine Ahnung womit sie es da zu tun haben.
Es steckt in den Muskeln, Nerven, Knochen, den Organen. Still und Versteckt, manchmal auch furchtbar laut – aber versteckt. Winzig klein aber riesig in der Wirkung.
Nach 25 Jahren mache ich heute zumindest immer öfter die Erfahrung, dass es von meinen Ärzten bei der Diagnose in Betracht gezogen wird.

Wirklich Angst gemacht hat sie mir das erste Mal vor knapp 9 Jahren, als es plötzlich das Herz ist, dass angegriffen ist.
Während ich das im Krankenhaus verarbeite, taucht im Bett neben mir eine zweite der typischen Fragen auf: womit habe ich das verdient?

Ich kann es der Dame nicht wirklich beantworten, dafür kenne ich sie zu wenig, weiß nicht was sie so angestellt hat in ihrem Leben.
Aber nach 2 Tagen fragt sie mich, wie ich mit dieser Frage fertig werde und zumindest darauf habe ich eine Antwort: Ich stelle sie mir nicht!
Ich habe es nicht verdient und diese Dinge passieren nicht weil man etwas verdient hat. Niemand hat das verdient! Sie passieren einfach! Und scheinbar habe ich neben der Last auch die Fähigkeit mit auf den Weg bekommen damit umzugehen.
Naja zumindest meistens 😉

Natürlich erwische ich mich manchmal bei dem Gedanken ‚echt jetzt, das auch noch?‘ Aber irgendwie geht es ja dann immer weiter und es passieren schönere Sachen zwischendurch.

Frühling Ostern UKE 2019

Frühling auf dem Gelände des UKE

25 Jahre nach der Diagnose liege ich mal wieder im Krankenhaus und bin dankbar. Dankbar, das es Menschen gibt, die Ostersonntag aufgestanden sind und zur Arbeit gekommen sind, damit ich frühstücken kann, obwohl sie sich vielleicht beim Aufstehen gefragt haben ‚warum gerade ich‘. Dankbar das ich der Mensch bin, der ich bin – geprägt durch hinfallen und wieder aufstehen. Dankbar, dass es mich getroffen hat und nicht den Menschen, der an der Frage nach dem Wieso, weshalb und warum zerbrochenen wäre.

Wenn nicht ich, wer dann? Irgend wen trifft es schließlich immer!!

In diesem Sinne wünsche ich Euch allen frohe Ostern! Egal ob ihr einfach die freien Tage annehmt oder über die Bedeutung des Festes wirklich nachdenkt -> seit dankbar, dass es im Leben eines Jeden diese Menschen gibt. Menschen die für uns aufstehen, ihre freie Zeit geben, Menschen die von Blitz des Lebens getroffen werden obwohl es uns hätte treffen können. Und wenn ihr gerade gefühlt von einem dieser Blitze getroffen seit, wünsche ich Euch die nötige Portion Kraft und Hilfe um es anzunehmen und wieder aufzustehen.

Einfach mal dankbar sein

Ein paar ruhige Tage liegen hinter mir. Nicht gerade die Besten, aber sicherlich nicht die Schlimmsten. Irgendetwas hat mich umgehauen und viel Zeit im Bett verbringen lassen. Also auch viel Zeit zum Surfen im Netz, Pläne machen, Träume ausschmücken und dankbar sein.
Dankbar dafür wo ich lebe, wann ich lebe und wie ich lebe. Ich glaube manchmal vergessen wir das. Natürlich geht es immer Besser und ich bin kein Verfechter von ‚Klappe halten‘ oder ’nicht aufmucken und wehren‘. Aber ich denke wir sollten uns auch bewusst sein, dass die meisten von uns auf recht hohem Niveau jammern.

Das Leben hat mir mit meinen Erkrankungen einiges mit auf den Weg gegeben, aber neben den manchmal wirklich hassenswerten Begleiterscheinungen, habe ich auch die Erkenntnis im Gepäck, dass ich im richtigen Land und in der richtigen Zeit damit lebe. In einem anderen Land oder zu einer anderen Zeit hätten mich Herz, Diabetes oder Sarkoidose schon längst töten können. Also habe ich Grund für jeden Tag dankbar zu sein und die Verpflichtung aus jedem das Beste zu machen!
Und wenn es mal nicht so gut läuft, dann habe ich alles an der Hand um Seelenpflege zu betreiben. Zum Beispiel mit Handarbeiten (ein neuer Pullover geht in Arbeit), mit guten Gesprächen, durch mitfreuen wenn Freunde einen glücklichen Tag haben oder mit leckerem Essen. Diese Liste kann jeder von uns aufstellen und es lohnt sich als Hilfe in grauen Tagen.

Wahl-Familie

Ab und an vermisse ich so etwas wie eine große Verwandtschaft … aber nur ab und an, weil eigentlich habe ich nicht nur eine, sondern mehrere Familien/Verwandtschaften und die sind riesig! Zum beispiel meine Fliegerfamilie, dann gibt es da die Familie rund um meine beste Freundin, die mich adoptiert hat und mir ein wunderbares Patenkind geschenkt hat. Meine Theaterfamilie, meine „immer wieder Samstag“ Familie, meine Corby-Familie…. und meine Karneval-Familie, die natürlich entsprechend der Jahreszeit besonders häufig um mich ist.
Wenn ich meine Bildergalerie ansehe, so finde ich sie alle wieder. Und zu allen gibt es Geschichten, die eine Familie eben ausmachen. Nicht immer sind wir einer Meinung, es wird diskutiert und auch gestritten, wir sagen uns auch mal unbequeme Dinge, aber am Ende, so wie es in Familien meistens ist, wird sich zusammengerauft, vertragen und an einem Strang gezogen.

Zu meinen 2018 Vorsätzen gehört ja, jeden Tag etwas aufzuschreiben, was meinen Tag zu einem Besseren, einem Guten gemacht hat. Nun ist das Jahr noch recht jung, aber trotzdem möchte ich eine Tendenz auslesen – es gibt genau einen Tag, zudem mir nichts positives zum Vermerken eingefallen ist. Und ich würde mal behaupten, das liegt daran, dass ich krank im Bett lag. Es gibt dagegen keinen Tag, den ich mit „das war aber Mist“ kennzeichnen würde!
Und wenn ich mir dann noch ansehe, was ich aufgeschrieben hab, dann muss ich feststellen: meine Familien sind die Geilsten (Olé). Da finde ich mal etwas, was in der Firma geschehen ist, mal durch die Samstags-Runde, die Flieger… vieles aus der Karnevals-Familie! Egal ob ihr Euch meldet um unsere Freunde aus Corby zu fahren oder zu bewirten, ob es in der Prinzenpaar-Begleitung etwas unschlagbar Schönes gibt, oder ich einfach nur schaffe zwei Runden hintereinander mit Euch zu tanzen… all das macht meinen Tag zu einem Guten. Ich kann nur hoffen, dass ich es schaffe für den ein oder anderen auch so ein „guter Tag“ Baustein zu sein, wie zB die Süße, die heute da stand und gesagt hat: „eigentlich hätte ich auf die Sache keine Lust, aber wenn das nötig ist, damit Du dabei bist, dann auch das“ … Gänsehaut, Pippi in den Augen und ganz viel Wärme!
Ein Beispiel aus 14 Tagen, welches mir zeigt wie schön das Leben ist, wenn wir hinsehen, uns rein fühlen! Wie in der Familie, die mit Blutsverwandtschaft entsteht, so gilt auch hier: wir sind manchmal nicht zusammen, aber trotzdem seit ihr immer dabei! Ich hab Euch lieb und wenn einer von Euch in Not ist, bin ich hoffentlich immer in der Lage, auch Eure Tage besser zu machen!

Schlaflos

Als ich diesen Blog angefangen habe, wollte ich kleine Geschichten und Anekdoten erzählen, von Urlaubszielen schwärmen, ein bisschen über Basteln, Gärtnern und andere Hobbies schreiben. In den letzten Wochen war dieser schöne Teil des Lebens sehr klein geschrieben und satt dessen kam mehr Kranksein, Verlust und ähnlich emotionales Ungemach zum Zuge.

Da das Leben voll von Beidem ist, gehört es wohl einfach dazu. Die Resonanz von Euch, die bei mir ankommt, sagt mir „es ist okay auch diese Dinge zu beschreiben“ … vielleicht liegt das daran, dass ich immer zu denen gehört habe, die auch miese Situation noch mit Komik sehen können. Trotzdem kam ich in den letzten Wochen nicht umhin diesen Wesenszug zu vernachlässigen.

Und so liege ich auch heute mal wieder im Bett, habe drei Anläufe „jetzt kann ich einschlafen“ hinter mir und komme nicht zur Ruhe. Dem Vorführ-Effekt sei Dank schlägt mein Herz nicht ganz so wild – ist doch seit heute Mittag das Langzeit-EKG aktiv. Aber dafür schlagen halt meine Gedanken Purzelbäume. Ich fühle mich unzuverlässig, weil ich mein Kollegenteam mal wieder im Stich lassen muss, gleichzeitig weiß ich, dass ich für meine Gesamtsituation immer noch vieles erledigt bekomme. Ich habe positive und negative Countdown im Kopf. Szenarien die mich er- aber auch entmutigen. Und über allem die Angst, dass der Plan, den ich mal wieder neu geschrieben habe, platzen könnte. Und so hangel ich mich durch meine wichtigsten „to do’s“ in der Hoffnung, dass die positiven Countdown gewinnen.

  • Noch 2 Tage, dann habe ich hoffentlich einen festen Plan, wie es mit mir und meinem Herzen weiter geht und wann ich wieder langfristig arbeiten kann
  • Noch 3 Tage, dann habe ich ein paar Stunden mein BBSW Dream Team um mich
  • Noch 1 Woche, dann sind die schweren, großen und unüberwindlichen Dinge aus Mamas Wohnung raus
  • Noch gut 2 Wochen, dann habe ich alles in meiner Wohnung neu aufgestellt und kann endlich aufbauen, statt neues Chaos zu schaffen
  • Noch 1 Monat, dann beginnt die 5. Jahreszeit und damit eine Zeit, die mich Teil eines Teams seinen lässt, das eine besondere Zeit erleben darf

Nebenbei gibt es viele weitere schöne Pläne/Termine, die aber nicht so genau terminiert sind. All das lässt mich den Kopf über Wasser halten und nicht völlig verzweifeln an den Dingen, die mich ängstigen. Und ich stecke meinen Kopf in den Sand um die Gefahr, dass alles platzen könnte, zu übersehen. Das funktioniert zumindest einige Stunden am Tag – nur abends, nachts da gehört diese Angst zu den Dingen, die mich um den Schlaf bringen. Zu dieser Zeit verlässt mich im Moment meine Fähigkeit auch der blödesten Situation noch etwas positives abzugewinnen und ich möchte mich manchmal wie ein bockiges Kind auf den Boden werfen, strampeln und „ich will das nicht“ heulen. Oder die Decke über meinen Kopf ziehen und ein paar Wochen nicht wieder zum Vorschein kommen.

Da dies keine Option ist, bin ich unendlich dankbar für alle diejenigen, die an meinem positiven Countdown einen Anteil haben, diejenigen die in den weiteren Plänen eine Rolle spielen und für meine Helfer, Kummerkästen, Ablenker und in den Arm Nehmer…. was gerade passiert mag mein persönlicher Albtraum, meine Aufgabe und meine Prüfung sein, aber ohne Euch würde ich keinen Fuß vor den anderen bekommen!

Stille

Ich glaube in meinem Leben hat es noch nie die Situation gegeben, dass ich vier Wochen nicht mit Mama geredet oder geschrieben habe, seit ich in der Lage bin mich zu artikulieren… Selbst als es noch keine Handys oder Facebook gab, auch als ich eben ohne diese Dinge in Thailand, USA oder Afrika war, so gab es immer mindestens eine SMS, einen kurzen Anruf, Karten oder Emails.
Die längste Zeit war sicherlich, als ich mit 10 mit meinem Vater und seiner Frau in Portugal war – wobei ich nicht mal wüsste ob es 2 oder 3 Wochen waren. Und nun ist es schon seit 28 Tagen still. Im Moment wird es leider mit jedem Tag schwerer, weil bewusster was eigentlich passiert ist. Die gnädige Watte des „noch nicht begriffen“ hat sich abgeblättert und übrig ist ein riesen großes Loch neben mir.

Langsam muss ich zurück ins Leben, nein möchte ich zurück! Eben nicht weil ich muss, sondern weil ich einmal mehr weiß wie kostbar jeder Tag ist. Ich arbeite wieder, ich gehe auf Parties und lerne wie es weiter geht.

Wenn die Sonne scheint, dann drehe ich mein Gesicht ins Licht und fühle die Sonnenstrahlen viel bewusster als früher, weil irgendwo da meine Mama ist – zumindest für mich! Am Tag ein Sonnenstrahl, in der Nacht das Funkeln eines angestrahlten Stern. Bei Regen ist sie im Regenbogen oder schläft hinter den Wolken. Sie ist eben einfach immer da! Und ich weiß eigentlich auch fast immer, was sie genau jetzt sagen würde. Das macht es manchmal leichter, manchmal schwerer aber es tröstet!
Ich bin kein tief religöser Mensch, aber ich Glaube – ich Glaube, dass wir Teil von etwas Größerem sind und dass ich irgendwann wieder bei meinen Lieben bin – ich habe nicht das Bild eines Garten Eden vor Augen, eigentlich eher Gefühle und Berührungen im Sinn und wenn es Gesichter oder sogar ganze Körper sind, dann ist Mama wieder gesund, sie kann laufen und tanzen und sie ist jünger. Mein Papa ist dann wieder ein stabiler Mann und nicht der vom Krebs abgemagerte und aufgezehrte Schatten seiner selbst.
Diese Bilder machen mich dankbar, weil ich weiß, dass sie eben befreit sind von der Last auch wenn es vielleicht ein körperloses Dasein ist.

Wenn ich mit Freunden zusammen bin, dann möchte ich gleichzeitig über Mama reden und auch wieder nicht, damit es eben wieder „normal“ wird. Mit einigen kann ich mich eine Weile ablenken, mit anderen kann ich ganz in der Situation stecken und gemeinsam trauern.
Und ich bin mir auch ziemlich sicher, dass alle meine Freunde mir gestern verziehen hätten, wenn ich auf der Party in der Ecke ein paar Tränen verdrückt hätte, weil ich bei Udo Jürgens Liedern im Moment nur das Bild vor Augen habe, wie Mama ihm zuhört… Ich bin trotzdem raus gestürzt, weil es nicht zur Party gehört, ich wenn es los geht, nicht steuern kann wann es wieder aufhört und weil nicht nur Freunde im selben Raum waren, sondern einige ganz wenige, die ich in solchen Momenten nicht um mich haben möchte – was auf einer großen Party passieren kann. Das gehört zu den Dingen, die ich schnell im Griff haben möchte – trauern okay, Party sprengen nein, weg laufen müssen aber auch möglichst bald nicht mehr.

Wieder so ein „Hinfallen, aufstehen, Krone richten, weiter gehen“ Moment – Mama würde jetzt sagen „schau nach vorne und halte Dich gerade, gönne niemandem sich an Deinem Schmerz zu erfreuen“, dann würde sie mich in den Arm nehmen und mir sagen, „das schaffen wir“. Vielleicht hat deshalb am Freitag so wunderbar die Sonne geschienen als ich sie mit Alex das letzte Stück ihres Weges getragen habe, vielleicht war da deshalb gestern, als ich mich auf den Weg gemacht habe, der Regenbogen genau gegenüber der Haustür… Weil sie da war, in ihrer neuen Gestalt. Ich auf jeden Fall kann mich daran aufrichten und dann weiter gehen, selbst wenn die Krone noch ein bisschen schief sitzt.

Der Tod ist ein Teil meiner Reise geworden

So ähnlich ist die Aussage, mit der einer meiner liebsten Filme endet.
„Message in a bottle“ ist einer meiner Seelen-Pflege-Filme. Eigentlich kann ich mit diesem Film jede meiner Stimmungen vertiefen, da er alle Elemente enthält, die mir etwas bedeuten. Nicht immer ist es der traurige Teil, so wie heute, aber auch der ist hier sehr intensiv nachzuspüren.
Warum ich gerade heute darauf komme? Eigentlich glaube ich schon seit einer Weile, dass dieses Jahr ein besonders Verlustreiches ist. Bisher fehlte mir aber der passende „Rahmen“ es in Worte zu fassen. Ganz ehrlich, wer liest schon gerne von Trauer und Tod. Aber es ist eben ein Teil unserer Reise!

Heute hat mich die Nachricht eines besonders tragischen Todes erreicht – zumindest empfinde ich es so. Es war, irgendwie der Tropfen, der mein Fass zum Überlaufen gebracht hat.
Nicht jeder der Menschen, die ich in diesem Jahr an den Tod übergeben habe, hat eine Rolle in meinem täglichen Leben gespielt. Aber Verbundenheit drückt sich nicht in regelmäßigem Sehen aus. Genauso wenig in den offensichtlichen Berührungspunkten. Es sind die kleinen Verknüpfungen mit Ereignissen, die einen Menschen bedeutender machen. Kleine Seelenverwandtschaften, richtige Worte in einem unerwarteten Augenblick….

Vielleicht kommt mir dieses Jahr so besonders schlimm vor,

  • weil ich so berührt bin von der Fliegerbekannten, die mir vor 6 Jahren über Facebook soviel Mut gemacht hat, als ich nicht wusste, wie ich mit meiner neuen Krankheits-Situation umgehen sollte
  • weil die Oma meines Patenkindes bei jedem Zusammentreffen ganz selbstverständlich das Gefühl versprüht hat, ich bin ein Teil der Familie
  • weil meine Cousine zwar Jahre lang ‚verschollen‘ aber nie vergessen war
  • weil der Fliegerkamerad zwar manchmal etwas anstrengend war, aber definitiv ein Unikat, welches eine große Lücke hinterlässt
  • weil das junge Mädchen soviel Unsicherheiten in sich trug, die meine Jugend gepflastert haben
  • weil die Frau aus unserer Stammkneipe zum Gefühl ‚Heimat‘ gehört hat
  • weil der eine Freund aus dem Karnevalsverein so eine ruhige, liebenswerte Konstante war, der andere schon mit meinen Kindheitserinnerungen verbunden
  • ….

Um so dankbarer bin ich dafür, dass eine unserer liebsten Freundinnen ihren Kampf mit dem Krebs über die nächste Runde hoffnungsvoll beendet hat. Oder das mir meine intensivste Reha-Bekanntschaft mit eigenen Worten von dem Drama erzählen konnte, welches sie und ihre Familie/Freunde in diesem Sommer in einem norwegischen Fjord im wahrsten Sinne des Wortes überrollt hat.
Es sind nur einige positive und negative Beispiele aus den Geschehnissen in diesem Jahr, aber sie sind eben sehr prägend und stimmen mich nachdenklich.

Sind wir eigentlich dankbar genug dafür, dass uns das Leben den nächsten Tag beschert? Und das in einer recht friedfertigen Umwelt.
Letztlich kann ich mir nur wünschen, dass ich nie vergesse, welch ein Segen es ist, dass ich im jetzt und hier lebe mit meiner Erkrankung. Und mich jeden Tag bedanken, dass ich die  – ja was genau… Kraft, Gabe? – Stärke besitze meine Krankheit als Begleiter und Herausforderung zu sehen und nicht als unverdiente, niederschmetternde Last.

Genauso kann ich nur hoffen, dass wir alle die Geschenke erkennen, die uns begleiten und im Angesicht von Trauer, Krankheit, Liebeskummer oder auch Tod nicht verzweifeln, sondern die Chancen ergreifen, die sich uns bietet. Auch wenn es manchmal sehr schwer fällt, wenn ein kleines Mädchen plötzlich ohne Mutter aufwachsen muss, oder eine Mutter ihr Kind beweint.

Vielleicht seid ihr nicht mehr sichtbar, aber ihr bleibt ganz sicher immer unter uns!