Mystik auf dem Glauberg

„Bring feste Schuhe mit, wir gehen auf den Berg!“ – „ich erwähnte, dass ich Höhenangst habe?“ – „nicht so einen Berg, aber es könnte ein bisschen rutschig sein nach all dem Regen… ich möchte Dir einen Platz zeigen, der mir etwas bedeutet!“
Mit diesem kleinen Dialog war unser Programm für Sonntag festgelegt. Und irgendwie wusste ich sofort, es wird gut.

Keltenwelten, so ist es offiziell beschrieben und das klingt ja schon mal spannend. Es erinnert mich ein klein wenig an die Siedlung auf den Orkneys . Oder auch an das, was ich gerade über Cornwall lese in Vorbereitung auf den Sommerurlaub.

Glauberg - Museum, im Vordergrund die Priestergräben

Glauberg – Museum, im Vordergrund die Priestergräben

Bei herrlichem Sonnenschein fällt mein Blick zunächst auf die rostrote Kiste mitten in der Landschaft – irgendwo habe ich die schon mal gesehen… das ist das Museum, klärt Üli mich auf, aber da wollen wir maximal am Ende einen Kaffee trinken. Dann sehe ich das Hügelgrab mit vorgesetzten Steelen. Und ich gestehe meine Niederlage lieber direkt ein – ich glaube es sind Basalt-Säulen, Üli plädiert für Holz… Am Ende des Tages schauen wir es uns näher an und Üli behält Recht. Ähnlich, wie ich jetzt gerade in der Zeit springe, springen die ganze Zeit meine Gedanken und ich habe echt Schwierigkeiten diesen ganz besonderen Tag zu „Papier“ zu bringen.

Glauberg 2018 - Üli an den Holzsteelen, bevor wir den Grabhügel besteigen

Glauberg 2018 – Üli an den Holzsteelen, bevor wir den Grabhügel besteigen

Vorab erzählt Üli mir noch eine besondere Geschichte zu diesem Ort, die wir trotz intensiver Suche nirgendwo nachlesen können. Das Grab mit seinen Graben-Gängen ist vor vielen Jahren aus der Luft entdeckt worden – die Tochter des Piloten Wilhelm Diebitsch habe ich gestern kennen gelernt – aktives Allround-Talent am Flugplatz in Gedern, Goldstück im Segelflugbedarf Shop und in kurzer Zeit auch mir ein sehr sympathischer Mensch. Gemeinsam mit einem Freund ist er zu einem Flug aufgebrochen und hat „seltsame“ Bodenstrukturen entdeckt. Als nicht Historiker erspare ich mir und Euch Jahreszahlen und weitere Details – ich denke die werden auch in der offiziellen Version zu finden sein. Leider hat man sich (aus welchen finanziell/politischen Gründen auch immer) entschieden, den Piloten auszusparen und statt dessen drei Historiker auf den Tafeln vor Ort zu benennen. Für mich, und sicher nicht nur für mich, der eine Wehmutstropfen an diesem sonst so positiven Ort.

Ausgrabungen auf dem Glauberg - unser Blick geht Richtung Frankfurt und ganz hinten am Horizont entdecke ich die Skyline

Ausgrabungen auf dem Glauberg – unser Blick geht Richtung Frankfurt und ganz hinten am Horizont entdecke ich die Skyline

Klettern müssen wir nicht auf dem Weg hinauf auf den Glauberg, aber ich bin schon froh, dass ich in den letzten Monaten an meiner Fitness gearbeitet habe – ich genieße einfach die Natur, den ausbrechenden Frühling und das Gespräch mit Üli. Erfreulicherweise ist es nicht sehr voll und das gesamte Areal ist natürlich und frei gehalten. Nur an drei Stellen sind Ausgrabungen im Gange und daher Absperrungen aufgebaut. Statt Keltenwelten treffen wir hier überwiegend auf mittelalterliche Funde. Tatsächlich ist der Glauberg selber heute mehr Mittelalter und der Fuß Keltisch, aber das erarbeiten wir uns in den nächsten Stunden an Schautafeln und dem kleine Heftchen aus dem Museumsshop.

Wir treiben von Schautafel zu Steinhaufen und von Wasserreservoir zu Mauern. Immer wieder halten wir an, lassen Geräusche und Stimmung auf uns wirken. Auf diesem Hochplateau braucht/hat alles seine Zeit. Was heute ein Hügel ist, war früher eine Stadtmauer, wo wir über mögliche Lebensräume nachdenken, haben früher Vorräte gelagert. Der Ausblick ist in alle Richtungen atemberaubend, da die Sicht heute einfach stimmt – sogar die Frankfurter Skyline ist zu sehen. Das ein oder andere Gespräch mit anderen Besuchern bereichert die Zeit, meist bemühen wir uns aber für uns zu sein.

Der Wall hinter der Glauburg war früher die Mauer der Anlage

Der Wall hinter der Glauburg war früher die Mauer der Anlage

Tatsächlich fühle ich mich ziemlich bald wie in einer Blase außerhalb der Zeit, dankbar im jetzt und hier zu leben, aber fasziniert von dem, was damals möglich war. Bis heute kann ich nicht wirklich benennen, was da oben in mir passiert ist, aber irgendwie machen mich diese Stunden glücklich und zufrieden. Es ist dieses deutliche Fühlen von Zufriedenheit, Glück in kleinen Dingen….. Außerdem erwische ich mich dabei, dass ich plötzlich über Dinge mit Üli rede, von denen ich gedacht habe, dass ich sie niemals über meine Lippen bringen würde, weil ich sie viel zu „speziell “ finde. Aber jetzt gerade fühlt es sich richtig an… als ich später alleine im Auto nachhause fahre, habe ich dieses Bild vor Augen:

Die Überreste der Glauburg

Die Überreste der Glauburg

Mein Leben ist eine riesige Kommode – von unten nach oben finden sich Erinnerungen nach Jahren, von links nach rechts sind sie von schlecht zu gut sortiert… einige Schubladen sind zugenagelt, da sie viel zu weh tun würden, wenn man den Inhalt hinaus ließe, einige glückliche Momente genieße ich ab und an alleine, lasse die Lade aber trotzdem meist zu, da es auch sehr traurig machen kann, dass diese Momente vorbei sind. Und dann gibt es da in der Mitte Träume und Wünsche, die bisher immer nur mir gehört haben. Und hier oben rappelt es plötzlich und es öffnen sich Schubladen und die Geschichten sprudeln aus mir raus… es fühlt sich gut an, etwas so unerwartet zu teilen – und es fühlt sich auch Tage später immer noch richtig an. Egal ob es der besondere Ort ist oder der besondere Mensch – wahrscheinlich beides zusammen – was sich komisch ausgenommen hat ist plötzlich aussprechbar, was peinlich war einfach eine ehrliche, offene Emotion…

Kleine Rast auf dem Hochplateau des Glauberg

Kleine Rast auf dem Hochplateau des Glauberg

Vielleicht klingt es schräg, möglicherweise denkt der ein oder andere das ist Spinnerei, aber für mich ist da etwas mystisches im Gang gewesen, eine Dimension in Aktion, die ich nicht wirklich erfassen oder beschreiben kann. Aber ich konnte es genießen, mich darauf einlassen und mich irgendwie freier auf den weiteren Lebensweg machen.

Vielleicht habe ich das gespürt, was sowohl die Kelten, als auch die Staufen dazu gebracht haben, sich genau auf/an diesem Berg anzusiedeln, natürlich neben der geeigneten Höhenlage. In jedem Fall habe ich diesen Ort als etwas ganz besonderes in meine Lebens-Kommode aufgenommen – eine Schublade, die jederzeit geöffnet werden kann um mir ein gutes Gefühl zu geben!

Kellermauern aus dem Mittelalter - rechts der Wall der alten Stadtmauer und oben wo der Zaun steht, waren früher die Hauseingänge

Kellermauern aus dem Mittelalter – rechts der Wall der alten Stadtmauer und oben wo der Zaun steht, waren früher die Hauseingänge

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