Am Morgen ist die Stimmung nicht wirklich besser, wir packen unseren Kram zusammen und gehen zum Frühstück. Ich erzähle Uwe, dass wir diese Nacht nur ca 500 Meter von der Queen entfernt verbracht haben. Die Information habe ich vom Barkeeper letzte Nacht. Die Queen ist seit 2 Tagen im Holyrood Palace, dessen Dächer wir vor dem Hotel sehen können. Am Nachmittag findet der Queens Tea im Park statt. Es fühlt sich schon ein klein wenig besonders an, an unserem Tagesziel ändert das aber nichts. Wir checken aus und lassen uns ein Taxi rufen. Während wir warten beobachten wir ein paar Personen, die mit Sicherheit zum Queens Tea gehen werden – sie sind genauso gekleidet wie man sich das vorstellt, und wir sind uns einig, dass wir alleine auf dieses Aufbrezeln keine Lust hätten.
Das Verlassen des Roxburghe ist ein kleines bisschen komplizierter, man versteht zwar, dass wir abreisen wollen und hilft uns auch zum Wagen und mit dem Gepäck, aber bis wir uns sortiert haben stecken wir fest – die Tiefgarage ist wieder verschlossen, der Buzzer außer Funktion und die Telefonnummer, die man wählen soll, leitet mich zu einem Band, auf das ich Name und Anliegen sprechen kann… Das fängt ja gut an. Schließlich hören uns die Bauarbeiter auf der anderen Seite des Rolltores und nutzen die Rufanlage außen – wir sind frei. Bis zur nächsten Ecke – hier blockiert ein Bierlieferant die Kreuzung und es dauert scheinbar ewig, bis wir endlich losfahren können. Das Navi haben wir mit dem Ziel ‚Corby‘ gefüttert und wir nehmen die erst beste Route ohne auf Zwischenstopps und sonstige Wegführung zu achten. Etwas mehr als 600 Kilometer liegen vor uns und die ersten hinaus aus Edinburgh erscheinen quälend lang. Bitte nicht falsch verstehen: Edinburgh ist eine tolle Stadt und sicher ist mein Bericht der Stadt gegenüber absolut unfair! Es ist unsere Schuld, dass wir uns nicht ausreichend begeistern können.
Sobald wir die Autobahn erreichen frisst der Audi Kilometer für Kilometer und wir kommen gut voran auf unserem Weg nach Süden. Während Uwe fährt, versuche ich in Corby eine Unterkunft zu finden. Unsere Freundin Terri verspricht mir, alles zu versuchen und ich weiß, besser geht es nicht.
Wehmütig sehe ich die Autobahnabfahrt Gretna an uns vorbei ziehen. Gleich sind wir raus aus Schottland und wer weiß, wann wir wieder hinkommen. Die Stimmung ist immer noch ziemlich angespannt als wir den nächsten Stopp machen. Hier mache ich gleich mehrere fatalen Fehler: Ich schaue auf den Weg, der noch vor uns liegt und stelle fest, dass wir im dicksten Berufsverkehr durch Manchester und Birmingham fahren werden. Eine kurze Rückversicherung bei Terri bestätigt, dass es besser ist, jetzt über die Landstraßen nach Osten zu fahren, statt später hinter Manchester. Also wird das Navi neu gefüttert und treu unseren letzten Tagen schickt es uns direkt weg von der Autobahn… Ich hätte es kontrollieren sollen! Statt dessen sitze ich jetzt am Steuer und verlasse die Autobahn an der nächsten Abfahrt. Das Navi scheint sich daran gewöhnt zu haben, dass wir im Norden kleinste Wege genutzt haben und so finde ich mich auf einer Gasse wieder, die den Namen Straße nicht wirklich verdient hat. Die nächsten Kilometer werden zu einer wahren Zerreißprobe für unsere Nerven. Ich kann quasi vor mir sehen, wie Uwe die Zähne zusammen beißt und innerlich hin und her gerissen zwischen leichter Schadenfreude, dass die Idee Manchster zu umgehen in solchen Wegen endet und dem Frust nicht vorwärts zu kommen. Ich für meinen Teil versuche den Weg als Gelegenheit zu sehen – lenkt mich das konzentrierte Fahren doch vom Frust ab und wir bekommen noch einmal tolle Einsichten ins Landleben. Aber wie das so ist, wenn Murphy zuschlägt, dann aber richtig. Schon bald befinden wir uns auf Schotter – über die nächsten sicher 10-20 Kilometer wird die Straßendecke erneuert und aus meinen 40 km/h werden eher 20-30… Das Klack Klack der Steinchen tut uns beiden weh, wissen wir doch, dass es von Steinen kommt, die die Lackierung des treuen Audi treffen. Das einzig Tröstliche ist, es gibt kaum Gegenverkehr, so dass ich nicht allzu oft ausweichen muss. Innerlich bete ich um eine bessere Straße und kontrolliere im Augenwinkel mehrfach, wie die Darstellung im Navi sich quälend langsam der Kreuzung nähert, die eine normale Landstraße verspricht. Landschaftlich wertvoll erreichen wir schließlich Uwe’s Belastungsgrenze und er fordert mich auf doch bitte langsamer zu fahren… Später sagt er es waren gefühlte 50-60 km/h.. Ich dagegen bremse von 30 auf unter 20 km/h ab und versuche mir nicht anmerken zu lassen, wie genervt ich bin.
Da endlich, die ersehnte Landstraße liegt vor uns und plötzlich finden wir uns in Mitten vieler Autos wieder, die alle eines gemeinsam haben: sie hängen fest! In unserer Fahrtrichtung sperrt die Polizei alles ab und Bauarbeiter säumen die Straße.. Ein LKW wird gerade in Stellung gebracht und ein Bagger belädt ihn mit Baumresten.. Na das kann ja heiter werden – gefühlte Jahre später (wahrscheinlich waren es gute 30 Minuten) ist der LKW aus dem Weg und wir dürfen die Fahrt fortsetzen. Schließlich erreichen wir Leeds und damit die M1 nach Süden. Uwe übernimmt das Steuer wieder und wir nähern uns zügig unserem Ziel. Terri hatte leider keinen Erfolg, alle brauchbaren Hotels in Corby sind bis Donnerstag ausgebucht. Das Navi zeigt noch ca 30 Minuten bis zur Ankunft, als wir auf einen Parkplatz fahren um zu überlegen wie es weiter geht. Mittlerweile ist auch genug Zeit vergangen, dass wir die Kommunikations-Störung bereinigen können. Die Idee hier an die Küste zu fahren verwerfen wir recht schnell – uns ist klar, dass wir ein wenig Ruhe brauchen, bevor wir uns in das Corby Carnival Wochenende stürzen. Über ein Internet-Portal suchen wir nach B&B’s oder Hotels im Umkreis von Corby und Uwe findet ein nettes kleines Hotel ca. 15 Kilometer vor nördlich von Corby. Wir buchen das letzte verfügbare Zimmer zunächst für eine Nacht und programmieren das Navi um. Schon auf dem Weg sind wir angetan von der Gegend. Auch wenn wir schon häufig in Corby waren, diese Ecke ist für uns beide Neuland. Schließlich erreichen wir das wunderschöne Dörfchen Hallaton und unser Hotel „The Bewicke Arms“ – wir sind schon beim ersten Blick begeistert. So was habe ich mir schon die ganze Zeit gewünscht! Ein alter Hof ist umgebaut zu Haupthaus mit Pub und Restaurant und im ehemaligen Stall sind Gästezimmer und ein Cafe untergebracht. Die Einrichtung ist ein Traum und wir sind auf Anhieb verliebt. Nachdem auch das Zimmer, die Internet-Verbindung und das Bier mehr als gut sind, haben wir das Gefühl die richtige Entscheidung getroffen zu haben und nun ein wenig für unsere Erlebnisse in Edinburgh entschädigt zu werden.
Wir lassen unsere Freunde wissen, dass wir angekommen sind und verabreden uns für den nächsten Tag mit Terri zum Mittagessen. Mit Doughi wollen wir uns dann Abends zum Fußball schauen treffen.
Der Audi steht sicher auf dem Hof und wir genießen Atmosphäre, Bier und Whisky. Die Menü-Karte überfordert ein wenig meine Englisch-Fähigkeiten, da die Gericht einer Benennung folgen, die nicht viel mit meinem Wortschatz gemein hat. Also suchen wir etwas zögerlich aus und werden erneut positiv überrascht. Das Essen ist nicht nur geschmacklich der Hammer, auch optisch haben wir das Gefühl in einem Londoner Gourmet Tempel zu sitzen. Alles in Allem verbringen wir einen wunderschönen Abend und freuen uns über die positive Wendung.
In einem Rückblick auf die letzten Tage stellen wir fest, dass wir den Fehler gemacht haben, Edinburgh an das Ende unserer Reise zu setzen.Der Trubel der Großstadt hat uns erschlagen nach der Einsamkeit und Ruhe die wir davor genossen haben. Mit Sicherheit werden wir Edinburgh noch einmal ansteuern, aber eher zu Beginn eines Urlaubs oder als Städtetrip mit dem Flieger. Und hoffentlich zu einer Jahreszeit, die etwas weniger Tourismus dorthin spült.
Auf Wiedersehen Schottland
